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Michael Burst – Mediengruppe RTL

Veröffentlicht AM 10 08 2021

Die Mediengruppe RTL ist mit 14 Sendermarken sowie dem Streaming-Dienst TVNOW der führende Anbieter von Videoinhalten in Deutschland. Michael Burst ist als Vice President zuständig für den Bereich Content & Data Analytics bei der Data Alliance, dem Data Competence Center von der Mediengruppe RTL sowie Gruner und Jahr. Er verantwortet vier Teams, die sich unter anderem um die quantitative Datenbereitstellung sowie Analysen und Insights kümmern und dazu Reportings, Dashboards und Modelle erstellen. Die Hauptaufgabe seiner Teams besteht darin, Entscheidern, Programm-Machern und Redakteuren datengetriebene Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben. Es obliegt seinem Bereich insgesamt, die hierzu erforderliche, komplette Datenstrecke zu verantworten und zu managen.

Gunst & Aufmerksamkeit der Nutzer als KPI‘s für Wachstum:

Zu seinen wichtigsten Steuerungsgrößen innerhalb der Mediengruppe RTL zählen Kennzahlen wie Anzahl an Viewern, Nutzern sowie ihre Verweildauer. Für TVNOW, das Streaming-Angebot der RTL-Gruppe, ergänzen zudem Abonnentenzahlen, Wachstumsraten, NPS (Net Promoter Score) oder auch Churn-Rates die relevanten Business-Kennzahlen. Michael Burst erläutert: „Es gibt verschiedene KPIs und es hängt sehr stark davon ab, welche Brille wir jeweils gerade aufhaben. Wir betreuen sowohl die Seite der Publisher als auch diejenige der Werbevermarktung. Aus Sicht der Publisher zum Beispiel ist es vor allem die Anzahl an Menschen, die unsere Angebote nutzen. D.h. es zählen meist die klassischen KPIs wie die Anzahl von Nutzern & Sehern, aber auch Abonnenten. Für die Werbevermarktung ist die Verweildauer maßgeblich. Das ist letzten Endes das, wonach wir alle im Mediensektor streben, wir kämpfen gemeinsam um die Gunst und Aufmerksamkeit der Nutzer. Jede Sekunde und jede Minute, die ein Endverbraucher mehr auf unseren Seiten verbringt, hilft uns dabei, ihn besser zu verstehen.“

„Wir kämpfen alle um die Gunst und Aufmerksamkeit der Nutzer. Jede Sekunde und jede Minute, die ein Endverbraucher mehr auf unseren Seiten verbringt, hilft uns dabei, ihn besser zu verstehen.“

Unser weg zum Tech & Data Powerhouse

Beim Thema Data Driven Decision-Making ist die Mediengruppe RTL an ganz vielen Stellen vorne mit dabei, bestätigt Michael Burst. Und das liegt vor allem an der klar definierten Strategie und Zukunftsvision des Unternehmens: „Das Management hat vor zwei Jahren die maßgebliche Entscheidung getroffen, dass man sich von einem reinen Contenthaus zu einer Content, Tech & Data Company entwickeln will. Das führte zu einem Wandel im Unternehmen, einem Wandel des Wertesystems. Und das Ganze funktioniert, weil es eine klare Entscheidung und ein klares Bekenntnis hierzu vom Top-Management gab. Sowie eine klare Strategie als auch eine zugehörige Zukunftsvision, die allen die nötige Orientierung bietet. Seitdem haben wir sehr viel in Technologie, aber auch sehr stark in Brainpower, d.h. Data Scientists, Data Engineers und Data Analysts, investiert.“

Michael fügt hierzu an: „Vor einigen Jahren wusste man in der Branche nicht genau, was Data Scientists genau machen. Heute besteht die Herausforderung darin, wie man diese Expert:innen bekommt. Langfristig wollen wir ein Unternehmen sein, das jedes Jahr aufs Neue mehrere KI- oder maschinelle Datenlösungen produziert, die uns am Ende des Tages entscheidende Wettbewerbsvorteile bringen.“

„Vor einigen Jahren wusste man in der Branche nicht genau, was Data Scientists genau machen. Heute besteht die Herausforderung darin, wie man diese Expert:innen bekommt.“

Aus Big Data wird Smart Data

„Ein gutes Beispiel dafür, wo die Reise hingeht, ist unser neuestes Produkt ‘Brand Aid‘“, so Michael Burst. Er erklärt hierzu: „Das ist ein KI-gestütztes Werbewirkungs-Tool, mit dem wir eine automatische Werbewirkungsanalyse möglich gemacht haben. Es nutzt intelligent die Möglichkeiten von Big Data und maschinellem Lernen. Das Brand-Aid-Dashboard, das dem Kunden zur Verfügung steht, ist gleichzeitig auch sein Steuerungstool. Zukünftig hat der Werbungtreibende die Möglichkeit, in einer Art Prognosemodell zu sehen, was genau mit den Marken-KPIs passiert, wenn er mehr in Print, in TV usw. investiert. Dieses neue Produkt ist für mich ein prima Beispiel, weil hier Themen wie Big Data, maschinelles Lernen, KI und klare Werbewirkungsanforderungen zusammenkommen. Das wäre vor drei oder vier Jahren noch nicht möglich gewesen. Das ist unser erstes Produkt dieser Art, aber wir arbeiten noch an einigen weiteren.“

Data Driven & Bauchgefühl

Sollte man Entscheidungen komplett Maschinen überlassen? Oder braucht man noch den Faktor Bauchgefühl? Für Michael Burst ist es eine Kombination aus beidem: „Ich verwende die Analogie des Bauchgefühls sehr häufig in meinem tagtäglichen Business. D.h. mein Ziel ist es, mit unseren Daten und unseren Analysen den Anteil des Bauchgefühls bei einer Entscheidung zu senken, so dass diese Entscheidung datenbasiert wird. Der datenbasierte Anteil an einer Entscheidung sollte an Bedeutung gewinnen. Dies darf aber nicht heißen, dass das Bauchgefühl komplett wegfällt. Weil es das ist, was uns Menschen mit unserer langjährigen Erfahrung ausmacht. Wir wollen Systeme einsetzen, die soweit automatisiert sind, dass wir Menschen von Routinearbeiten befreien können. Und wir sie stattdessen befähigen, ihre Zeit in Dinge zu investieren, die uns noch effizienter voranbringen.“

Maschinen können Entscheidungen nicht komplett übernehmen, konstatiert Michael Burst, zumindest auf der Basis von dem, was heutzutage möglich ist. Doch Maschinen können seiner Auffassung nach bei der Entscheidungsfindung extrem hilfreich sein: „Es ist ein Zusammenspiel. Der Vorteil der Maschine liegt in der schnellen und effizienten Verarbeitung vieler verschiedener Datenquellen. Aber das, was die Maschine ausarbeitet, muss von einem Fachexperten, jemandem mit Erfahrung, interpretiert werden. Denn nicht jedes Ergebnis, das von einer Maschine oder einem Algorithmus produziert wird, muss auch umgesetzt werden, man muss es erklären können und auch verstehen, wie es zustande kommt.“

„Es ist ein Zusammenspiel. Der Vorteil der Maschine liegt in der schnellen und effizienten Verarbeitung vieler verschiedener Datenquellen. Aber das, was die Maschine ausarbeitet, muss von einem Fachexperten, jemandem mit Erfahrung, interpretiert werden.“

Datenprodukte als Wettbewerbsvorteil

Zusammen mit seinen Teams arbeitet Michael Burst täglich daran, neue Wettbewerbsvorteile zu erschließen. „Am Ende werden die datengestützten Lösungen, die wir entwickeln, hart gechallenged. Wir entwickeln in der Regel Datenprodukte und diese müssen einen Wettbewerbsvorteil bringen und am Ende mehr Umsatz generieren. Zum Beispiel, indem weniger Menschen unsere Services kündigen, weil wir durch maschinelles Lernen unser Empfehlungssystem verbessern. Denn wenn wir es schaffen, den Viewer auch nur ein paar Minuten länger zu halten und die Verweildauer zu erhöhen, dann erhalten wir weitere neue Datenpunkte, die uns im Idealfall helfen, das System und den Algorithmus zu optimieren und somit die Bindung und die Loyalität zu erhöhen.“

Worauf sollte man achten?

Aufgrund dieser so dynamischen und schnellen Entwicklung müssen Unternehmen aufpassen, nicht in eine Technik-Gläubigkeit oder einen Aktionismus-Wahn zu verfallen, schlussfolgert Michael Burst. Eine klare Fokussierung und Zielorientierung sei unablässig, schließlich bringe eine Menge an Daten allein erst einmal gar nichts: „Das kann man mit der Börse vergleichen. Man muss genau überlegen, wann man handelt bzw. seine Strategie ändert. Vor allem im Marketing, wo man Entscheidungen nicht tagtäglich ändern darf. Denn es braucht Zeit, bis eine Marketing-Aussage wirklich ankommt und es sich in den Zahlen widerspiegelt. Mehr als 5-7 sauber definierte KPIs machen deswegen auch keinen Sinn. Und bei zu vielen Daten läuft man insgesamt Gefahr, die Komplexität nicht mehr zu beherrschen.“

Impulsgeber sind für Michael Burst Technologie-Unternehmen wie Google, Amazon, Netflix, Facebook oder auch Apple, die schon sehr früh erkannt haben, wie wichtig es ist, die Hoheit über die eigenen Daten zu haben. Und die auch schon früh damit angefangen haben, Spezialisten-Abteilungen aufzubauen.