Online Video Werbung: Welche Performance Unterschiede bei skippable und non-skippable Videos?

Veröffentlicht AM 07 04 2020

Artikel Mark Vroegrijk – Senior Methodologist

Digitale Video-Werbung, insbesondere Werbung durch Online-Videos, nimmt in den Marketingbudgets vieler Unternehmen einen immer größeren Platz ein. Im Jahr 2020 beispielsweise betrugen die prognostizierten Gesamtausgaben in diesem Bereich bereits 61 Milliarden Dollar, ein Anstieg von mehr als 35% gegenüber dem Vorjahr. Ein häufiger Grund ist, dass Online-Videos als attraktive Möglichkeit bewertet wird, um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Für 2025 wird vorausgesagt, dasss nur noch die Hälfte der Verbraucher im Alter von 30 Jahren oder jünger ein kostenpflichtiges Fernsehabonnement haben wird. Schon jetzt nutzen mehr als 90% dieser Gruppe regelmäßig YouTube; und YouTube erreicht mehr dieser jungen Konsumenten als jeder andere Fernsehkanal.

Aber eine größere Reichweite von Online-Videoanzeigen führt nicht unbedingt zu einer höheren Aufmerksamkeit. Verschiedene wissenschaftliche Studien legen nahe, dass sie als relativ aufdringlich empfunden wird. Dies führt wiederum zu einer verstärkten Tendenz, solche Werbung zu vermeiden. Eine frühere Studie von DVJ Insights und der Universität Groningen über Videoanzeigen in sozialen Medien zeigte bereits, dass die Aufmerksamkeit des Verbrauchers für diese Art von Anzeigen begrenzt ist. Im Durchschnitt wurden die Anzeigen nur 1,8 Sekunden lang angesehen, und je stärker die Werbung als aufdringlich empfunden wurde, desto geringer wurde die Sehdauer insgesamt.

Bei digitaler Video-Werbung wird ein wichtiger Unterschied gemacht, ob der Zuschauer die Möglichkeit hat, sie zu überspringen (= skippable) oder nicht (=non-skippable). Skippable Videos, auf YouTube auch als „TrueView“ bekannt, werden vor oder während eines Inhaltsvideos angezeigt, so dass der Betrachter die Möglichkeit hat, das Video zu überspringen i.d.R. nach einigen Sekunden. Für die Standardvariante dieses Formats werden Kosten nur dann berechnet, wenn der Betrachter die Werbung vollständig angeschaut hat (oder auf einen Link im Video klickt). Bei non-skippable Videos wird der Betrachter gezwungen, den Spot in voller Länge zu sehen. Da den Werbetreibenden bei der Verwendung von non-skippable Videos das Sehen der ganzen Werbung garantiert wird, ist dieses Format in der Regel mit höheren Kosten verbunden.

Es stellt sich die Frage: Rechnen sich diese höheren Investitionen bei nicht-überspringbarer Werbung? Vorherige Forschungen von DVJ Insights haben gezeigt, der Werbeerfolg hängt stark davon ab, wie gut die Marke als auch die Werbeinhalte in die Erinnerung der Konsumenten verankert wird. Können wir also unter Berücksichtigung dieser Aspekte tatsächlich feststellen, dass non-skippable Werbung in diesem Bereich besser abschneidet als skippable Werbung?

Eine internationale Meta-Studie

Um dies zu untersuchen, hat DVJ Insights kürzlich eine Studie unter 10.000 Befragten durchgeführt, bei der über 100 Videowerbeanzeigen Online in drei Ländern (Deutschland, Niederlande und Großbritannien) getestet wurden. Zu Beginn dieser Studie ließen wir jeden Befragten in seinem eigenen Tempo durch einige wenige Websites surfen, wobei auf manchen Websites ein Inhaltsvideo gezeigt wurde. Diesen Inhaltsvideos gingen zufällig ausgewählte Werbevideos voraus, die nach 5 Sekunden übersprungen werden konnten, falls gewünscht. Wenn der Befragte die Möglichkeit hatte, zu überspringen, und dies auch tat, registrierten wir – für den Befragten nicht sichtbar – den Moment, in dem dies geschah.

Nachdem der Betrachter einige Zeit gesurft hatte stellten wir folgende Fragen: 1) An welche Marken, die in der Werbung vorkamen, erinnerte er sich 2) Verstand er die Botschaft der Werbung und 3) Welche Werbung erinnerte er. Da wir die gleichen Anzeigen, sowohl im überspringbaren als auch im nicht-überspringbaren Format getestet haben, können wir zeigen, inwieweit im Durchschnitt ein Anstieg der Erinnerungseffekte unter dem letztgenannten Format auftritt.

skippable <> non-skippable video: An was wird sich erinnert?

Wird dem Betrachter der Werbung die Möglichkeit geboten, sie zu überspringen, wird diese Option häufig genutzt. Abbildung 1 zeigt, dass insbesondere in den ersten Sekunden, in denen eine (durchschnittliche) Werbung übersprungen werden kann, ein erheblicher Aufmerksamkeitsverlust auftritt. Nach nur drei Sekunden entschied sich schon mehr als ein Drittel der Zuschauer, die Werbung zu überspringen. Danach fällt der Zuschauerverlust weniger drastisch aus. Aber am Ende wird eine durchschnittliche Online-Videowerbung von weniger als der Hälfte der Verbraucher komplett gesehen.

Abbildung 1: Anzahl der verbleibenden Zuschauer pro verstrichener Sekunde

Angesichts des hohen Aufmerksamkeitsverlusts bei überspringbaren Videos überrascht es nicht, dass ein Wechsel vom überspringbaren zum nicht-überspringbaren Format zu einer (statistisch signifikanten) Steigerung des Erinnerungsgrades an der beworbenen Marke (+8 Prozentpunkte bei spontanem und +10 Prozentpunkte bei gestütztem Recall) und der Erinnerungsfähigkeit der Anzeige (+6 Prozentpunkte) führt. Dies wird in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Durchschnittliche Erinnerungswerte für überspringbare und nicht überspringbare Werbung

Vergleicht man diesen Anstieg und den Grad des Aufmerksamkeitsverlustes bei überspringbaren Anzeigen, fällt das Verhältnis zwischen den Effektgrößen sofort auf. Obwohl mehr als die Hälfte der Zuschauer die überspringbare Werbung nicht in ihrer Gesamtheit sehen (und deshalb, bei dem „TrueView“ Standardformat, auch keinen Kostenpunkt darstellt!), ist der Rückgang des Erinnerungseffekts geringer, 10 Prozentpunkte oder weniger.

Daraus lässt sich folgern, dass die komplette Betrachtung einer keine notwendige Voraussetzung für die Erzielung einer (ausreichenden) Wirkung ist. Abbildung 3 zeigt, dass es besonders wichtig ist, den Zuschauer noch einige Sekunden über den Zeitpunkt der Skip-Option hinaus zu binden. Tatsächlich sorgt jede zusätzliche Sekunde, in denen die Werbung länger angeschaut wird, dass der Performanceunterschied zum skippable Video kleiner wird. Wobei dieser Effekt über die Dauer des Videos abflacht.

Abbildung 3: Unterschied in den Erinnerungswerten im Vergleich zu nicht-überspringbarer Werbung zu unterschiedlichen Betrachtungszeiten

DAS SEHVERHALTEN ZWISCHEN VERSCHIEDENEN DEMOGRAPHISCHEN GRUPPEN

Aber was bestimmt, wann eine überspringbare Online-Videoanzeige komplett gesehen wird? Wir können zwischen externen Faktoren (die ein Marketingspezialist nicht direkt beeinflussen kann, aber in seiner Mediaplanung berücksichtigen kann) und internen Faktoren (die mit der kreativen Umsetzung der Werbung zu tun haben) unterscheiden.

Beginnen wir mit den externen Faktoren: Das Überspringverhalten der Zuschauer wird zunächst durch das Gerät bestimmt, das sie benutzen, wenn sie der Online-Videowerbung ausgesetzt sind. Abbildung 4 zeigt, dass diese Unterschiede weniger zwischen Desktop- und Tablet-Nutzern auftreten, sondern vielmehr im Vergleich zu Smartphone-Nutzern – die viel eher dazu neigen, eine Werbung (schnell) zu überspringen. Auffällig ist, dass der relativ große Rückgang der Zuschauerzahlen bei Smartphone-Nutzern vor allem in den ersten Sekunden nach der Möglichkeit des Überspringens stattfindet. Nach 8 Sekunden ist der Rückgang der Zuschauerzahlen zwischen den verschiedenen Geräten gut vergleichbar.

Abbildung 4: Anzahl der verbleibenden Betrachter pro verstrichener Sekunde, unterschieden zwischen Smartphone-, Tablet- und Desktop-Benutzer

Daneben hat auch das soziodemographische Profil einen Einfluss. Abbildung 5 zeigt zwar, dass sich Männer und Frauen in ihrem Seh- und Überspringverhalten sehr ähnlich sind, ist dies bei den Altersgruppen definitiv nicht der Fall. Bei den Babyboomern, der Generation X, der Generation Y und der Generation Z zeigt sich, dass der Rückgang der Zuschauerzahlen umso schneller erfolgt, je jünger der Zuschauer ist – meist in den drei Sekunden nach der ersten Möglichkeit zum Überspringen. Nach Ablauf von acht Sekunden sind die Unterschiede immens – wo im Durchschnitt noch knapp 80% der Babyboomer zuschauen, schaut nur noch etwas mehr als ein Drittel der Generation Z zu.

Abbildung 5: Anzahl der verbleibenden Zuschauer pro verstrichener Sekunde für verschiedene demographische Gruppen

kreation bindet aufmerksamkeit!

Abgesehen davon, dass das Sehverhalten von Online-Video-Werbung vom Profil des Zuschauers abhängt, ist natürlich auch die Art der Werbung selbst ein wichtiger Faktor. Ein Video mit einer starken kreativen Ausführung ist besser in der Lage, die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu halten. Da wir in dieser Studie nicht nur das Sehverhalten der Befragten registriert haben, sondern auch gefragt haben, wie die Befragten die gesehenen Spots bewerten, können wir auch die Beziehung zwischen diesen beiden Punkten abbilden.

Abbildung 6 zeigt, dass die Stoppkraft einer Werbung – also ob die Werbung in der Lage ist, das Interesse des Zuschauers länger zu halten – und das gesamte Sehen-bis-zum-Ende-Verhältnis nicht  von denselben Aspekten der kreativen Stärke bestimmt werden. Erstens lässt sich feststellen, dass der Grad, in dem ein Werbespot als unverwechselbar wahrgenommen wird, einen konsistenten positiven Einfluss auf das Zuschauerverhalten ausübt – sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht. Gleichzeitig werden aber auch Unterschiede bei anderen Aspekten festgestellt. Wenn die Werbung als lustig und angenehm (aber gleichzeitig auch glaubwürdig) angesehen werden soll, damit die Leute nicht in den ersten Sekunden überspringen (während sie bereits die Möglichkeit haben), sollte die Werbung eine noch stärkere emotionale Reaktion – ein gutes Gefühl – vermitteln, komplett angeguckt zu werden, und dem Zuschauer zusätzlich neue Informationen vermitteln.

Abbildung 6: Wichtigste Einfluss-Faktoren der Kreation um Online-Videoanzeigen teilweise (≥ 8 Sek.) und vollständig zu sehen

performance unterschiede? welche unterschiede!

Unsere Studie zeigt: bei der Schaltung eines skippable Online-Videos sollte berücksichtigen werden, dass im Durchschnitt mehr als die Hälfte der Zuschauer vorzeitig aussteigt, der Rückgang der Marken- und Werbeerinnerung im Vergleich zu non-skippable Videos jedoch relativ begrenzt bleibt. In der Regel schaffen es skippable Videos, dass Konsumenten das Video einige Sekunden länger ansehen über die Skip Option hinaus. Unsere Studie zeigt auch, dass, wenn die Aufmerksamkeit des Zuschauers nur einige Sekunden länger erhalten bleibt, die „Lücke“ bei den Erinnerungseffekten zwischen überspringbaren und nicht-überspringbaren Videos bereits zum größten Teil geschlossen ist. Obwohl wir das Halten der Aufmerksamkeit für mindestens 8 Sekunden als kritischen Punkt bezeichnet haben, um genügend Wirkung zu erzielen, wird dies nicht für jeden Zuschauer problemlos funktionieren. Bei den Konsumenten der Generation Z sowie Smartphones sehen wir eine deutlich stärkere Tendenz, einen Video Spot so schnell wie möglich zu überspringen. Für diese Konsumenten ist es daher wichtig, eine unverwechselbare Werbung zu schaffen, die Spaß und/oder Freude macht, aber auch glaubwürdig ist, damit bei dieser Zielgruppe eine optimale Wirkung erzielt wird.